Persönlichkeitsveränderungen und Substanzkonsum bedingen sich gegenseitig, wie ein systematisches Review der HMU Arbeitsgruppe Persönlichkeitspsychologie in Zusammenarbeit mit der Abteilung Psychiatrie und Neurowissenschaften der Charité zeigt. Die Studie wurde von Christina Juchem und Dr. Antonia Bendau als Erstautorinnen und Saskia Baumgardt als Co-Autorin unter der Leitung von Prof. Dr. Eva Asselmann durchgeführt. Die HMU-Studierenden des Bachelors Psychologie Leonie Carmen Bandurski und Nico-Jonathan Reich haben als Co-Autor:innen wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen, die in der renommierten Fachzeitschrift Psychological Medicine erschienen ist.
Personen, die Substanzen wie Alkohol, Nikotin, Cannabis oder andere Drogen konsumieren, weisen bestimmte Persönlichkeitsmerkmale auf. Beispielsweise sind sie im Durchschnitt weniger emotional stabil, weniger verträglich und haben ein gesteigertes Sensationsbedürfnis. Personen mit einer Substanzabhängigkeitsstörung weisen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zudem ein hohes Maß an Impulsivität auf und sind weniger gewissenhaft. Lange Zeit war jedoch unklar, ob diese Persönlichkeitsunterschiede bereits vor dem Substanzkonsum bestehen oder sich erst infolge des Substanzkonsums und der Abhängigkeit entwickeln.
Um diese Frage zu beantworten, führte das Team Persönlichkeitspsychologie ein systematisches Review durch, bei der ausschließlich Längsschnittstudien berücksichtigt wurden, die sowohl Substanzkonsum als auch Persönlichkeitsveränderung über die Zeit untersuchten. Die Ergebnisse zeigen, dass ein erhöhter Substanzkonsum mit einer Zunahme an Impulsivität und einer Abnahme an emotionaler Stabilität einhergeht. Bei Patient:innen mit einer Substanzabhängigkeitsstörung, die in Behandlung waren, nimmt die emotionale Stabilität, Gewissenhaftigkeit, und Selbstwirksamkeitserwartung im Laufe der Zeit zu. Die Studie verdeutlicht, dass sich Substanzkonsum und Persönlichkeitsveränderungen gegenseitig bedingen und von der Substanz, dem Ausmaß und der Dauer des Konsums und dem Alter der Betroffenen abhängt.
Das Review liefert viele praktische Implikationen: Zum Beispiel können bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, etwa eine erhöhte Impulsivität, hilfreich sein, um Risikogruppen für gezielte Präventionsmaßnahmen zu identifizieren.
Juchem, C. M.*, Bendau, A.*, Bandurski, L. C., Reich, N. J., Baumgardt, S., & Asselmann, E. (2024). Personality changes related to presence and treatment of substance use (disorders): a systematic review. Psychological Medicine, 1–25. doi:10.1017/S003329172400093X
* Geteilte Erstautorschaft