Die International Society for Psychophysics (ISP) organisiert jährlich ein internationales Meeting zu theoretischen Fortschritten und praktischen Anwendungen im Bereich der Psychophysik. Dieses Jahr fand der sogenannte “Fechner Day” vom 10. bis zum 14. September 2023 in Assisi, Italien statt. Vier Psychologiestudierende aus dem fünften Semester hatten die Gelegenheit, zusammen mit Prof. Dr. Florian Kattner die Ergebnisse ihres Experimentalpraktikums zu präsentieren und die HMU auf diesem internationalen Kongress zu vertreten. Ramona Spitz, Patrizia Scholz, Cosima Stokar von Neuforn und Leonardo Stuff hatten im Rahmen des Experimentalpraktikums im Wintersemester 2022/23 (zusammen mit den Studierenden Marko Sanden und Maike Gerlach) über 90 Versuchspersonen rekrutiert, um den Einfluss von geflüsterter Hintergrundsprache auf das serielle Arbeitsgedächtnis zu erforschen. Dass die Leistung in einer Merkaufgabe durch Hintergrundsprache beeinträchtigt wird, ist seit längerem bekannt. Allerdings wurde bisher der Einfluss von Flüstern nicht separat untersucht. Das Team um Prof. Dr. Kattner konnte zeigen, dass die Merkleistung der Probanden durch geflüsterte Sprache stärker beeinträchtigt, wird als durch laut artikulierte Sprache. Die als Ablenkung intendierten Aufnahmen, welche von den Studierenden eigens erstellt wurden, fanden in einem weiteren Experiment der University of Lincoln (England) Verwendung. Dabei zeigte sich, dass die englischen Proband:innen durch geflüsterte deutsche Sprache weniger in ihrer Merkfähigkeit beeinträchtigt werden als durch laute deutsche Sprache. In Einklang mit Modellen zur Höranstrengung scheint geflüsterte Sprache also nur dann zusätzliche Aufmerksamkeit abzulenken, wenn die Sprache verstanden wird. Durch das Kurzzeitstipendium der HMU und ein zusätzliches Reisestipendium der ISP wurde den Studierenden die Möglichkeit gegeben, die Ergebnisse auf dem Fechner Day in Assisi vorzustellen.
Scholz, P., Spitz, R. M. M., Stokar von Neuforn, C. M. A., Stuff, L. T. V., & Kattner, F. (2023). Whispered speech causes disruption of serial short-term memory. Proceedings of the 39th Annual Meeting of the International Society for Psychophysics - Fechner Day 2023 (p. 104), Assisi, Italy, 10-14 September 2023.
Mitra Hassanzadeh stellte erste Ergebnisse ihrer Replikationsstudie als Poster auf dem Fechner Day 2023 vor. In dieser Studie wurde die von Jones und Macken (1995) berichtete Abhängigkeit des Irrelevant Speech Effect von “auditivem Streaming” neu geprüft. Die Ergebnisse scheinen tatsächlich zu belegen, dass sich auditive Distraktion durch ein als “streaming-by-location" bekanntes Wahrnehmungsphänomen (dabei werden auditive Objekte nach Ort der Schallquelle gruppiert) reduzieren lässt, allerdings in etwas geringerem Ausmaß als von Jones und Macken (1995) berichtet.
Hassanzadeh, M., Ellermeier, W., & Kattner, F. (2023). The role of spatial location in irrelevant speech revisited: Replication of Jones and Macken (1995). Proceedings of the 39th Annual Meeting of the International Society for Psychophysics - Fechner Day 2023 (p. 37), Assisi, Italy, 10-14 September 2023.
Samuel Conrad war ebenfalls mit einem Posterbeitrag am Fechner Day 2023 vertreten, in dem seine Forschung zum Zusammenhang zwischen Arbeitsgedächtniskapazität und auditiver Aufmerksamkeit dargestellt wurde. In einer neu entwickelten auditiven Flankierungsaufgabe mussten Versuchspersonen einen Zielreiz richtig kategorisieren und zwei simultan präsentierte Distraktoren herausfiltern. Dabei konnten Zielreiz und Distraktoren der gleichen Kategorie (nur Buchstaben oder nur Zahlen) oder unterschiedlichen Kategorien (Buchstaben und Zahlen) angehören und mit der gleichen oder einer anderen Taste assoziiert sein (kompatibel oder inkompatibel). In Flankierungsaufgaben sind Inkongruenz und Inkompatibilität zwischen Zielreiz und Distraktoren meist mit langsameren Antwortzeiten und höheren Fehlerraten verbunden. Die vorläufigen Ergebnisse zur auditiven Flankierung deuten darauf hin, dass höhere Arbeitsgedächtniskapazität tatsächlich mit einer gesteigerten Fähigkeit zum Filtern auditiver Reize (reduzierte Kongruenz- und Kompatibilitätseffekte) einhergeht. Die Fähigkeit, die auditive Aufmerksamkeit schnell zu wechseln (zwischen Buchstaben- und Zahlenkategorisierung), scheint dagegen weniger stark mit Arbeitsgedächtniskapazität zusammenzuhängen.
Conrad, S. & Kattner, F. (2023). Auditory task switching and distractor filtering as a function of working memory capacity and age. Proceedings of the 39th Annual Meeting of the International Society for Psychophysics - Fechner Day 2023 (p. 25), Assisi, Italy, 10-14 September 2023.